Überlebensstrategien der Riffbewohner

 

Am Korallenriff findet man die verschiedensten Lebewesen: Krebstiere wie die Putzergarnele, majestätische Rochen, giftige Steinfische, bunte Nacktschnecken, Schwärme von farbenfrohen Riffbarschen, nesselnde Anemonen und viele mehr.

 

Zwei Tabakfalterfische beim Fressen einer Qualle

Ein Teil von ihnen ist nachtaktiv, der andere Teil tagaktiv. Manche sind Räuber, einige Pflanzenfresser, viele ernähren sich auch von Plankton, das heißt pflanzlichen, bakteriellen und tierischen Kleinstlebewesen. Jeder versucht eine Nische für sich zu finden, um ausreichend Schutz und Nahrung zu haben. Bei der hohen Dichte an Lebewesen im Korallenriff gar nicht so einfach.

 

So haben sich einige hoch spezialisiert auf bestimmte Beute, die sonst kaum jemand verwerten kann. Andere dagegen fressen einfach alles. Die Strategien, um Beute zu machen, bzw. nicht als Beute zu enden, sind vielfältig.

 

Schwarmfische z.B. profitieren tagsüber davon, dass sie im Schwarm kaum angegriffen werden. Dies liegt vor allem daran, dass für Räuber kein Angriffspunkt, kein einzelnes Tier auszumachen ist. So setzen die Raubfische, die trotzdem angreifen, darauf, den Schwarm zu zersprengen und so einzelne Fische abzusondern.

 

Auf Verwirrungstaktik setzt auch der Tintenfisch. Bei Gefahr sondert er eine Tintenwolke ab, die dem Fressfeind vorgaukelt, die Beute zu sein, während der Tintenfisch schnell die Richtung wechselt und verschwindet.

 

Diese Gelbstreifen-Füsiliere sind als Schwarm vor Räubern gut geschützt. Auch durch ihre Farben erscheinen sie als einzige große Masse für potentielle Räuber.

 

Eine der wichtigsten Strategien ist jedoch die Tarnung, die sowohl vom Räuber, als auch vom Beutetier genutzt wird. Räuber imitieren z.B. Steine, Algen oder völlig friedliche Fische. Beutetiere verschmelzen mit ihrer Umgebung und imitieren wehrhafte Fische.
Besondere Meister der Tarnung sind die Steinfische. Sie bilden nahezu perfekt einen algenbewachsenen Stein nach und lauern reglos auf Beute. Ähnlich macht es der Schaukelfisch. Er imitiert Seegräser, hat selbst die Form eines ausgefransten Blattes. Dazu schaukelt er in den Wellen, während er auf passenden Untergründen liegend auf Beute wartet. Er kann sich auf seinen Brustflossen langsam laufend vorwärts bewegen, wobei er ebenfalls die Schaukelbewegungen zeigt. Ist eine passende Beute nahe genug, reißt er sein riesiges Maul auf und saugt sie so ein.

 

links: der Drachenkopf lauert gut getarnt.
rechts: der Schaukelfisch kann zwar auffallend bunt sein, imitiert so aber erfolgreich harmlose Pflanzen

 

Andere Räuber tarnen sich, indem sie im Windschatten größerer friedlicher Fische mit schwimmen, um sich so unbemerkt ihrer Beute nähern zu können. Diese Taktik verwenden z.B. Trompetenfische. Diese können sogar bis zu einem gewissen Grad ihre Farbe entsprechend anpassen. Selbst Schnorchler oder Taucher werden gerne von Trompetenfischen als Tarnung verwendet.

 

Eine besondere Taktik, um Beute zu machen, hat der Säbelzahnschleimfisch entwickelt. Er sieht fast genauso aus, wie ein Putzerfisch und führt sogar den Locktanz der Putzerfische durch, um Fische zu sich zu lotsen. Putzerfische befreien andere Fische von Parasiten, werden so auch von Raubfischen nicht angegriffen, sondern ihre Putzerdienste sind höchst willkommen. Der kleine Säbelzahnschleimfisch wird so als vermeintlicher Putzerfisch von vielen Fischen nah heran gelassen, beißt ihnen dann blitzschnell ein Stück Fleisch heraus und verschwindet wieder. Fische lernen aber schnell, genau hinzusehen. Ein zweites mal lassen sie sich nicht überraschen.

 

Rochen im Korallenriff

die vielen “Augen” und der sandfarbene Körper des Blaupunktrochens, machen ihn für Feinde und für Beute schwer einschätzbar

Beutetiere nutzen ganz ähnliche Mechanismen. Sie imitieren über Farbe und Äußeres Gift-Fische oder werden über angepasste Färbung fast unsichtbar.

 

Überhaupt spielt die Färbung der Fische eine sehr wichtige Rolle. Tagsüber sorgt eine bläuliche Färbung im offenen Meer für annähernde Unsichtbarkeit, nachts dagegen sind rote Fische nicht zu sehen. Manche potentiellen Beutetiere haben zudem Färbungen, die den Feind verwirren können, z.B. ein „aufgemaltes“ zusätzliches großes Paar Augen. Dabei sind auch „Vielaugen“ möglich, wie beim gepunkteten Kugelfisch.

Streifen oder Punkte in Umgebungsfarben helfen daneben auch dadurch, dass sie die Konturen des Fisches verschwimmen lassen. Ein Räuber kann so die Größe des Beutefisches kaum mehr abschätzen. Dies funktioniert besonders gut, wenn der Fisch langsam oder im Schwarm schwimmt. Wimpelfische z.B. nutzen diese Taktik.

Quallen und Glasfische sind dagegen durch die Abwesenheit von Farbe gut getarnt.

 

Viele Falterfischarten sind territorial und leben paarweise. Artzugehörigkeit erkennen sie an der Farbe.

Durch die Farben wird daneben aber auch Artzugehörigkeit signalisiert. Zum einen werden so passende Partner gefunden, zum anderen hilft es aber auch beim einhalten von Reviergrenzen. Viele Fische sind sehr territorial sind und verteidigen ihr Revier gegen Artgenossen, da diese Rivalen um Nahrung, sichere Schlafplätze und Paarungspartner sind. So kommt es, dass viele Jungfische eine völlig andere Färbung haben, als im Erwachsenenalter. Dadurch können sie unbehelligt von ihren großen Artgenossen aufwachsen.

 

Manche Raubfische profitieren aber auch von der Ernährungsweise anderer Fische. Barben z.B. werden gerne von Stachelmakrelen und anderen kleineren Raubfischen begleitet. Barben durchwühlen den Meeresboden nach Kleinstlebewesen, indem sie den Sand durchsieben. Dabei scheuchen sie eine Reihe von Krebsen und kleinen Wirbellosen auf, die für die Räuber nun relativ leichte Beute sind.

 

der Doktorfisch täuscht durch die orange Farbe eine zweite Klinge am Kopf vor

Fische, die nicht auf Tarnung setzen, bedienen sich dagegen oft Giften oder Stacheln. Diese Fische signalisieren ihre Wehrhaftigkeit meist mit grellen Farben, die ihre Waffen auch gerne besonders betonen. Doktorfische haben z.B. scharfe Klingen an der Schwanzflosse, auf die sie potentielle Feinde durch leuchtende Farben aufmerksam machen. Im Falle eines Angriffs verteidigen sie sich mit heftig schlagender Schwanzflosse. Einige Doktorfische haben noch ein weiteres Paar Klingen am Kopf „aufgemalt“, um auch von vorne abzuschrecken.

 

Seeigel sind durch ihre langen Stacheln sehr gut geschützt. Allerdings haben sich einige Fische trotzdem auf sie spezialisiert. So können Drückerfische Seeigel umpusten und dann von der weichen Unterseite her auffressen.

 

Eine besondere Strategie haben Kugelfische: sie können sich bei Gefahr aufblasen, was sie eindrucksvoller aussehen lässt und für kleinere Räuber nur noch schwer angreifbar. Daneben führt das Verschlucken eines Kugelfisches oft zum ersticken des Räubers, da der Kugelfisch sich auch innerhalb des Fressfeindes aufpustet. Da den meisten Räubern dies bewusst ist, verzichten sie auf den Verzehr größerer Kugelfische.

 

links: der Igelfisch kann sich aufblasen wie ein Kugelfisch und hat zudem noch Stacheln auf dem Körper verteilt. rechts: der Stachelrochen nutzt seinen langen Giftstachel nur zur Verteidigung

 

Neben den Waffen, spielt das Gift sowohl bei Räubern als auch bei Gejagten eine wichtige Rolle. Vor allem viele niedere Lebewesen im Korallenriff sind giftig. Dazu gehören viele Korallen, Quallen, Schnecken und Schwämme. Sie verteidigen sich mittels des Gifts gegen Fressfeinde, betäuben ihre Beute oder bekämpfen Konkurrenten um ihren Standort im Korallenriff.

 

der harmlose Schlangenaal imitiert die hochgiftige Seeschlange

Auch viele Raubfische nutzen das Gift in erster Linie zur Verteidigung, nicht um Beute zu machen. Dazu gehören z.B. der hochgiftige Steinfisch, der Rotfeuerfisch oder Rochen. Seeschlangen oder die Giftpfeile schießende Kegelschnecke, nutzen dagegen ihr Gift aktiv um Beute zu töten.

 

Aber nicht nur die giftigen Lebewesen selbst profitieren davon. So lebt der Anemonenfisch gut geschützt zwischen den nesselnden Tentakeln seiner Anemone.

Viele Nacktschnecken produzieren ebenfalls kein eigenes Gift, sondern profitieren von dem Gift der Schwämme. Die Schnecken selbst sind immun gegen das Gift, fressen die Schwämme und werden selber giftig.

 

Daneben imitieren Beutetiere auch gerne giftige oder wehrhafte Fische. So färbt der Schlangenaal sich wie die hochgiftige Seeschlange. Einige Feilenfische ahmen Kugelfische nach, die junge Harlekin-Süßlippe ahmt giftige Nacktschnecken nach.

 

links: Nacktschnecken sind meist sehr giftig und zeigen dies durch grelle Farben.
rechts: Anemonenfische sind durch ihre nesselnde Anemone geschützt. Sie selbst sind gegen das Anemonen-Gift imun

 

 

Putzstationen am Korallenriff

 

Einige Tiere haben sich darauf spezialisiert, andere Fische von Parasiten zu befreien. Daneben helfen sie auch bei der Wundheilung, indem sie lose, abgestorbene Hautpartikel und Schleim entfernen. Zu den Putzern gehören verschiedene kleine Fischarten, z.B. der bekannte Putzer-Lippfisch oder manche Grundel-Arten, sowie einige Garnelen.

 

Hornhecht mit kleinem Putzerlippfisch

Viele dieser Putzer betreiben feste Putz-Stationen im Korallenriff. Hier signalisieren sie über bestimmte Bewegungen und ihr Erscheinungsbild die Bereitschaft, ihre Dienste zu Verfügung zu stellen.

 

Die meisten größeren Riffbewohner besuchen regelmäßig Putzerstationen. Dazu gehören auch Raubfische wie Muränen oder Zackenbarsche. Sie warten vor Putzerstationen friedlich, bis sie an der Reihe sind und kämen nie auf die Idee, den kleinen Putzer zu fressen. Im Gegenteil, sie halten völlig still, spreizen die Flossen ab und öffnen ihr Maul, um auch dieses säubern zu lassen.

 

Einige Putzer sind ohne feste Station unterwegs und bedienen die „Kunden“, die sich nicht ins Korallenriff herein trauen oder ihren sicheren Standort im Riff nicht verlassen möchten. Die Putzer selbst profitieren, indem sie so ihre Nahrung erhalten und im Rahmen ihrer Dienste die Sicherheit haben, nicht gefressen zu werden.

 

links: auch Scherengarnelen betätigen sich oft als Putzer.
rechts: dieser Kugelfisch lässt sich gerade von einem Putzerfisch die Kiemen säubern

 

 

Das Korallenriff bei Nacht

 

Etwa 75% der Fische sind tagaktiv, die meisten niederen Tiere dagegen nachtaktiv. Besonders eindrucksvoll bei Nacht sind die Polypen der Steinkorallen, die nun überall zum Vorschein kommen und den Eindruck eines Blumenmeeres vermitteln. Die Polypen warten auf die Nacht, da nun große Mengen an Kleinstlebewesen aus der Tiefe des Ozeans aufsteigen, die den Polypen als Nahrung dienen. Die meisten Fressfeinde der Polypen schlafen dagegen nun.

 

Korallenriff bei Nacht

Korallenriff bei Nacht

Auch Federsterne, viele Garnelen, Krebse, Langusten und Schnecken sind nachtaktiv, jagen jetzt oder weiden die Korallenblöcke ab. Daneben sind auch Kleinfische wie z.B. Beilbäuche unterwegs. Fisch-Schwärme sieht man nachts selten. Der Schwarm profitiert tagsüber von seiner Optik, der Feind sieht nur eine diffuse Masse. Nachts ist dieser Effekt kaum effektiv.

 

Nachtaktive Fische sind z.B. die Soldaten- und Husarenfische, Stachelmakrelen, Muränen und Rotfeuerfische. Viele Nachtjäger haben sehr große spezialisierte Augen, um auch im Dämmerlicht noch sehen zu können. Daneben sind sie häufig rot, da das Rot nachts nicht zu sehen ist. Ein flacher Körperbau trägt dazu bei, dass sie möglichst wenig Biolumineszenz verursachen. Wolken von lumineszierenden Kleinstlebewesen sind nachts unterwegs, die bei Berührung aufleuchten.

 

Viele tagaktive Fische wechseln nachts die Farbe, verschmelzen so mit dem Hintergrund oder werden rötlich. Sie verkriechen sich in Spalten und sind möglichst regungslos. Daneben haben einige Fische auch ganz besondere Verteidigungsmechanismen entwickelt. Drückerfische z.B. klemmen sich über 2 Dorne am Körper zwischen den Korallen fest, so dass Fressfeinde sie nicht heraus ziehen können. Einige Papageifische hüllen sich in eine Schleimschicht ein, die vermutlich ihren Geruch überdeckt, so dass sie geschützter vor Fressfeinden sind.

 

typische Jäger der Nacht: Großschuppensoldaten (links) und Rotfeuerfische (rechts)

 

Die Sinnesorgane der Fische

 

Das Sonnenlicht wird im Wasser mit zunehmender Tiefe rasch schwächer. Ab etwa 15 Metern Wassertiefe sind beispielsweise die Gelb-, Orange- und Rottöne schon fast völlig heraus gefiltert. Bei klarem Wasser dringen Reste des Sonnenlichts mehrere Hundert Meter tief, das menschliche Auge nimmt aber in diesen Tiefen nur noch Schwärze wahr.

 

Muränen orientieren sich bei der Suche nach Beute hauptsächlich über ihre Nase

Einige Fische haben hoch spezialisierte Augen, mit denen sie noch den letzten Rest Licht auffangen können und so z.B. nachts, bzw. in mittleren Wassertiefen, erfolgreich jagen können. Die besten Seh-Spezialisten nehmen noch bei gut 1000 Meter Wassertiefe ein Restlicht wahr. Doch bei den meisten Fischen, die nicht ausschließlich in sehr flachem Wasser leben, spielen die Augen zur Sinneswahrnehmung nur eine geringe Rolle. Ebenfalls können nur die Flachwasserarten farbig sehen.

 

Hoch entwickelt ist dagegen bei vielen Fischen der Geruchssinn und teils auch der Hörsinn. Muränen und Haie beispielsweise verlassen sich beim Jagen sehr auf ihre Nase und Lachse können durch den Ozean der Geruchsspur ihres Heimatflusses folgen, um in diesem schließlich zu laichen.

 

Der Geruchssinn ist eng verbunden mit dem Geschmackssinn, über den schon auf eine gewisse Distanz die Fressbarkeit einer potentiellen Beute geprüft werden kann. Viele Tiere, z.B. Schwämme und Blumentiere, aber auch einige Fische, scheiden geringe Mengen an giftiger oder übelschmeckender Substanz aus, um Fressfeinde vorzuwarnen. Einige Papageifische dagegen hüllen sich nachts zum Schlafen in eine schleimige „Geruchsbarriere“ ein, um von Fressfeinden nicht wahrgenommen werden zu können.

 

Schwarmfische koordinieren ihre Bewegungen mit Hilfe des Seitenlinienorgans

 

Schallwellen breiten sich im Wasser schneller aus, als in der Luft und können theoretisch über weite Entfernungen weiter gegeben werden. Praktisch werden durch die Wasserbewegungen die Schallwellen jedoch mehr oder weniger stark verzerrt. So wird die Orientierung über Schall unter Wasser vor allem über kürzere Distanzen genutzt. Schall, und damit allgemein Bewegungen, Strömungen und Druckveränderungen des Wassers, werden bei Fischen über das Innenohr, vor allem aber über Seitenlinienorgan wahrgenommen. Dieses spezielle Sinnesorgan gibt es nur bei Wasserbewohnern, es ist der Tastsinn der Fische. Das funktioniert so fein, dass auch hierüber eine Orientierung, ein abschätzen von Entfernungen und die Ortung von Beute und Feinden stattfinden kann.

 

Bei manchen Fischen haben sich zusätzlich Elektrorezeptoren entwickelt, mit denen sie sich am Magnetfeld der Erde orientieren können. Einige Fische, der Nilhecht z.B., sind zusätzlich in der Lage, elektrische Felder zu erzeugen, über die sie Hindernisse, Feinde oder Beute wahrnehmen können. Das elektrische Feld verformt sich in Anhängigkeit von der Substanz, auf das es trifft. So können diese Fische mittels des elektrischen Feldes sogar feststellen, was genau sich da gerade in ihrer Nähe befindet.

Knorpelfische wie Haie und Rochen dagegen besitzen die einzigartige Fähigkeit, die schwachen elektrischen Felder wahrzunehmen, die andere Tiere durch Muskelkontraktion, Herzschlag oder Gehirnaktivität erzeugen.

 

links: Zitterrochen können so starke elektrische Felder erzeugen, dass sie sich hierüber verteidigen oder Beute betäuben können.
rechts: Haie nehmen über Elektrorezeptoren Beutetiere wahr

 

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