Südpferde-Typen haben in der Regel eine größere Fluchtdistanz als Nordpferde-Typen ( Pferdetypen ), aber für alle Pferde gilt, dass Flucht die erste Option bei Gefahr ist. Voraussetzung für Fluchttiere ist das frühe Wahrnehmen von potentieller Gefahr und die schnelle Reaktion darauf. So müssen Pferde behutsam an z.B. Straßenverkehr, Hunde, laute Geräusche u.s.w. gewöhnt werden, damit sie diese eben nicht mehr als potentielle Gefahr ansehen.

 

Bei Pferden sind die Augen seitlich am Kopf angesetzt, was typisch für Fluchttiere ist. So können sie einen sehr weiten Bereich überblicken, ohne den Kopf bewegen zu müssen. Auf plötzliche schemenhafte Bewegungen von der Seite reagieren sie instinktiv mit Flucht. Dies ist durch Umweltsicherheitstraining und viel Vertrauen in den Reiter zu verbessern, aber nicht umsonst tragen Kutschpferde Scheuklappen. Diese Grundreaktion ist in jedem Pferd verankert.

 

Pferde haben annähernd Rundumsicht, aber eben nicht ganz. Nähert man sich gerade von hinten dem Pferd, wird es einen nicht wahrnehmen können, was schmerzhafte Folgen haben kann, wenn es dann in Panik zutritt. So muss man es bei Annäherung von hinten früh genug freundlich ansprechen.
Vor allem bei breitem Kopf und sehr seitlich angesetzten Augen, ergibt sich auch direkt vor dem Pferd ein toter Winkel. Dies kann dazu führen, dass solche Pferde öfter mal erschrecken, wenn „plötzlich“ etwas vor ihnen auftaucht und auch das Einschätzen von Hindernissen wird schwieriger.

 

Foto: longhorndave/flickr, aufmerksam beim Grasen

Ähnlich verhält es sich mit potentiell gefährlichen Geräuschen oder Gerüchen. Da Pferde leisere und auch höhere Töne wahrnehmen, als der Mensch, ist dem Pferdehalter nicht unbedingt immer klar, wovor das Pferd gerade zurück schreckt. Zudem sind die Geräusche, die ein Mensch als normal empfindet und „überhört“, für Pferde durchaus wichtig. Ein Schleifen eines Seils über den Boden könnte eine Schlange sein, das Knacken von Ästchen ein Säbelzahntiger. Wenn das Pferd ein potentiell gefährliches Geräusch wahrnimmt, richtet es Ohren und Kopf darauf aus und versucht es genauer zu bestimmen. Im Zweifelsfall wird es flüchten, wobei sich die Ohren nach hinten, weiter in Richtung des Geräusches drehen. Dabei orientieren sich Pferde auch an ihren Gruppenmitgliedern. Startet ein Pferd durch, werden ihm die anderen ziemlich sicher folgen, auch wenn sie selbst die „Gefahr“ noch nicht bemerkt haben. Dabei unterscheiden Pferde aber durchaus, ob ein ranghohes, erfahrenes Tier die Flucht einleitet oder z.B. ein ungestümer Jährling. So hilft es einem unsicheren jungen Pferd sehr, wenn bei ersten Ausritten (oder Spazieren führen zur Umweltgewöhnung) ein sehr souveränes, älteres Tier dabei ist, an dem sich orientiert werden kann und das Sicherheit vermittelt. Ebenso kann ein Pferd lernen, seinem Menschen die Führung und Einschätzung von möglichen Gefahren anzuvertrauen. Das Pferd durch Strafe und Gewalt durch die Situation zu zwingen, ist weniger zu empfehlen. Es kann nicht Ziel sein, dass das Pferd mehr Angst vor seinem Menschen hat, als vor dem potentiellen Säbelzahntiger. Souveränität und Ruhe sind die Zauberworte und selbstbewusst seinen Weg gehen.

 

Sehr schreckhaften Tieren kann man immer mal wieder neue Gegenstände mitbringen, die sie dann in Ruhe in ihrem eigenen Tempo im Paddock oder auf der Weide, also in sicherer, vertrauter Umgebung, untersuchen können. Auch die vertraute Herde vermittelt Sicherheit, in der Gemeinschaft lassen sich neue Erfahrungen leichter machen.

 

Pferde haben ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis. Sicherheit wird geschaffen durch Berechenbarkeit, Gewöhnung an Umweltreize, abwechslungsreiche Haltung mit vielen Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln und auch die Möglichkeit, sich frei bewegen und sozial interagieren zu können. Pferde wollen sich dabei mit ihrer Umwelt auseinandersetzen, sind neugierig und wollen lernen. Das macht evolutionsbiologisch durchaus Sinn, jede unnötige Flucht verbraucht ohne Not wichtige Energiereserven. Deshalb nähern sich Pferde häufig nach einer kurzen Flucht wieder dem Auslöser, um diesen besser einschätzen zu lernen. Die Reaktion zwischen Flucht und Erkundung hängt allerdings auch von den Lichtverhältnissen ab: im Dunkeln oder in der Dämmerung sind Pferde sehr viel vorsichtiger, als bei Tageslicht. Auch die Vertrautheit der Umgebung spielt eine Rolle, weshalb man Pferde am besten dort mit Neuem konfrontiert, wo sie sich wohl fühlen. So sind Pferde, die ja ursprünglich aus der relativ abwechslungsarmen Steppe stammen, auch gut an das Leben mit dem Menschen in der Stadt zu gewöhnen. Wichtig ist eine langsame Gewöhnung und dem Pferd die Chance zu geben, in seinem Tempo Erfahrungen zu sammeln.

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